Die rhetorische Entwicklung und die Grundlagen guter politischer Reden
Rhetorik gehört zur Urform der Demokratie
Über 2.000 Jahre alt sind die Grundlagen unserer Demokratie. Genauso alt ist jedoch auch die Rhetorik, die schon im alten Rom und bei den Griechen der Antike benutzt wurde, um Politik mehrheitsfähig zu machen und um sie durchzusetzen. Bekannte Rhetoren der Antike waren Sokrates, Plato, Aristoteles, Cicero und Seneca. Ihnen wurde in den Stadtstaaten der Antike große Anerkennung entgegengebracht. Sie wurden benötigt, um in den Urformen der Demokratie, also der Herrschaft des Volkes, die Massen mit ihren Reden zu beeindrucken und zu beeinflussen. Wer sich heute mit politischer Rhetorik befaßt, geht gleichsam zurück zu den Wurzeln unserer Demokratie und den Zusammenhängen, aber auch Beeinflussungsfaktoren unserer sozialen und gesellschaftlichen Gemeinschaften.
Zu den Bildungszielen gehörte Kriegstüchtigkeit und Wohlberedheit
In der antiken Erziehung stellte Rhetorik eines der Hauptfächer dar. Zwei Bildungsziele wurden verfolgt: Kriegstüchtigkeit und Wohlberedtheit. Deshalb zählte man die rhetorischen Künste zum Idealbild für Schönsein und Gutsein. Diese griechischen Bildungsideale durchdrangen alle Kulturen des Mittelmeeres und wurden somit auch vom römischen Reich aufgenommen. Auf vielen Gebieten bauen wir noch heute auf den Ergebnissen griechischen Denkens auf. Dies gilt besonders für die Bereiche der Philosophie, der Pädagogik, der Psychologie und natürlich der Rhetorik. Die geistigen und politischen Grundformen der heutigen Demokratie erleben wir in der Erziehung und Bildung der athenischen Demokratie. Dort strebte man danach, ein umfangreicheres Wissen zu erlangen und durch eine formale Schulung in rhetorischer Fertigkeit dieses Wissen und mit ihm eine gezielte Beeinflussungskunst auf die Volksmassen wirken zu lassen. Die neuen Lehrer dieses Bildungsideals nannten sich Sophisten und ihr Anführer war Protaguras. Und noch heute bezeichnen wir einen engagierten Vordenker und einsatzfreudigen Kämpfer mit dem Begriff Protagonist.
Sokrates überschaute das gesamte Wissen seiner Zeit
Auch Sokrates ging aus der Reihe dieser großen Denker hervor. Er war nicht nur Philosoph sondern vor allem Rhetoriker, der sich der Jugend- und Volkserziehung gewidmet hat. Einer seiner treuesten Schüler wurde Plato. Mit Aristoteles schließt sich die Kette der großen griechischen Denker und Begründer der Logik. Er überschaute das ganze Wissen seiner Zeit, war in Athen ein Schüler Platos und wurde später Erzieher von Alexander dem Großen. Aristoteles gründete eine Schule, das Gymnasium des Apollon Lykeius. Daher stammt ja noch der bis in die heutige Zeit erhaltene Name „Lyzeum“ als Umschreibung für eine Bildungseinrichtung. Sieben freie Künste wurden in der Antike für die Allgemeinheit entwickelt. Es waren Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik.
Mit Redekunst wurde der politische Gegner besiegt
Während im alten Griechenland die Rhetorik als Kunst der Rede, als Ausdruck ihrer selbst praktiziert wurde, änderten sich diese Ideale mit dem Eindringen der griechischen Bildung in das alte Rom. Dort übten die Römer die Redekunst nicht mehr um ihrer ästhetischen Wirkung willen aus sondern überwiegend, um den politischen Gegner zu besiegen oder um in einem Rechtsstreit zu gewinnen. Cicero war einer der großen Redner und Schriftsteller in dieser römischen Zeit. Seine herausgegebenen Schriften waren noch Jahrhunderte später eine der Hauptbildungsmittel.
Alle wichtigen Entscheidungen gingen von Volksversammlungen aus
Stellen wir uns die Frage, warum die Rhetorik in der Antike eine so herausragende Stellung einnehmen konnte. Cicero sagte dazu: „Zwei Eigenschaften vermögen einem Menschen höchstes Ansehen zu verleihen: Feldherrnkunst und Beredsamkeit“. Die Beredsamkeit war in der Antike ein Bestandteil der Erziehung, mehr noch, sie galt als die Krone aller Erziehung. Der Grund lag in der Verfassung der meisten griechischen Staaten, denn diese überließ alle wichtigen Entscheidungen und Entwicklungen der Volksversammlung. Diese Versammlung mit ihrem gewissermaßen basisdemokratischen Anspruch machte die Gesetze und wählte nach freiem Belieben die Beamten, entschied über die Steuern und Staatsrenten und übte die Gerichtsbarkeit aus. Da es überwiegend kleine Stadtstaaten waren, konnten alle wahlberechtigten Bürger auf einem Platz versammelt werden. Hier lag die Chance für einen guten Redner, um diese allmächtige Volksversammlung zu lenken und zu beeinflussen.
Rhetorik diente zur Befriedigung der menschlichen Neugierde
Auch im alten Rom hatte das Volk zunächst einen gewaltigen Einfluß auf die Staatsführung. Auch dort waren die Rhetoren höchst angesehene Persönlichkeiten. Dies änderte sich erst mit dem Übergang zur Kaiserzeit. Dabei wurde die Macht des Volkes wesentlich eingeschränkt und das Staatsrecht nun von oben par militärischer Stärke vordiktiert. Die Rhetorik, also die Redekunst, verlor ihre alte, dominierende Stellung. Das Fundament der antiken Redekunst war also eindeutig politischer Einfluß um jeden Preis. Dazu kam die Gier nach Sensationen, die Aufdeckung von üblen Vorfällen, die Teilnahme an ungewohnten Erlebnissen und die Berichte über all das, was außerhalb des jeweiligen kleinen Staates vorgegangen war. Diese Grundbedürfnisse müssen auch in der heutigen Gesellschaft befriedigt werden. Und hier stehen die Massenmedien, von der Zeitung über den Rundfunk bis zum Fernsehen, an erster Stelle, um im zunehmenden Maße die gleichen Bedürfnisse der Massen nach Klatsch und Tratsch, Sensationsgier und lüsterne Neugierde zu befriedigen.
Von der französischen Revolution zur englischen Redekunst im Parlament
Nach der Blüte der Antike verstummten die Rhetoren für über ein Jahrtausend. Nur in den Klosterschulen wurde noch geistliche Redekunst gepflegt. Auch die Zeit der Glaubenskämpfe brachte einige große Redner hervor, die jedoch schnell als Ketzer und Abweichler auf dem Scheiterhaufen landeten. Das neue Zeitalter der politischen Rhetorik begann mit der Französischen Revolution. Wieder waren es die Massen, die in direkter Rede aufgestachelt und beeinflußt wurden. Und wieder diente die Redekunst häufig weniger dazu, die Probleme zu klären und Lösungen zu finden, als vielmehr die Köpfe zu verwirren und den Volkszorn zu entzünden. Während dann im Deutschland in jenen Tagen sowohl die Revolution wie auch die Rhetorik größtenteils vorbeigingen, entwickelte sich in England eine neue Art der politischen Beredsamkeit, die Redekunst im Parlament. Ein Geschichtsschreiber jener Tage urteilte bitter: „Keine Kunst kommt der Nation teurer zu stehen als die der parlamentarischen Beredsamkeit“.
Gefährliche Demagogen beeinflußten das Volk
Dann kam die Zeit der großen politischen Umwälzungen, von denen das 20. Jahrhundert maßgeblich beeinflußt wurde. Und natürlich standen Rhetoriker, diesmal jedoch als gefährliche Demagogen an der Spitze der Bewegung: Mussolini, Stalin und Hitler waren bewußte überzeugte Rhetoriker. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, daß große Rhetoriker, die versuchen, ihre Macht demagogisch auszunutzen, auch immer ein großes Publikum brauchen, und deshalb zu Massenaufmärschen sowie Großveranstaltungen neigen, um sich die entsprechende Bühne mit garantierter Massensuggestion zu verschaffen.
Politische Rhetorik wird durch visuelle Botschaften ergänzt
In der heutigen Mediengesellschaft sind es neben den klassischen rhetorischen Fähigkeiten, also insbesondere sprachlichen Fähigkeiten, vor allem die visuellen bildhaften Wirkungen, die durch das Fernsehen an ein Millionenpublikum vermittelt werden. Die direkte Wahrnehmung des Redners ist den meisten Bürgerinnen und Bürgern verwehrt, sie wird gefiltert durch das Medium Fernsehen, und nicht zuletzt beeinflußt durch die dort entscheidenden Redakteure. Politische Rhetorik muß deshalb durch visuelle Botschaften ergänzt werden, der zielgerichtete Umgang mit den Medien und die maximal zur Verfügung stehenden 90 Sekunden, um auch komplizierte Zusammenhänge bürgerfreundlich darzustellen, entscheiden über Wohl und Wehe der jeweiligen Abgeordneten, Politiker und Parteien. Dies muß Konsequenzen haben in Bezug auf verbale Sprache, Körpersprache und Ausstrahlung, ímmer gefiltert durch ein visuell technisches Medium und in kürzester Zeit einem Millionenpublikum präsentiert. Entscheidend ist nicht mehr die Wirklichkeit sondern das Bild von der Wirklichkeit, das dem Einzelnen präsentiert wird.
Zum Wahlrecht gehört auch eine Informationspflicht
Wir denken und fühlen in Bildern, Botschaften und oberflächlichen Eindrücken. Dies führt bei den politischen Absendern dieser Botschaften zu dem vermeintlichen Zwang, auch komplizierte Zusammenhänge und umfassende Probleme kurz, knapp und anschaulich darzustellen. Eine häufige Emotionalisierung und unsachliche Simplifizierung ist die Folge. Vereint mit einer immer geringer werdenden Allgemeinbildung und der zunehmenden Versagung einer für die Demokratie notwendigen Informationspflicht, begeben sich daraus gefährliche Konsequenzen für den demokratischen Rechtsstaat. Letztlich gehört zum Wahlrecht auch immer eine Informationspflicht, sonst wird Demokratie als Volksherrschaft immer leicht zur Politik des Mittelmaßes, und das wäre bedauerlich für die immer noch beste aller Formen des friedlichen, gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Rhetorik ist die Wirkung des ganzen Menschen
Als engagierter Kommunalpolitiker bieten sich Ihnen eine Reihe von Möglichkeiten, Bürgerinnen und Bürger zu informieren und Ihnen bei der Meinungsbildung zu helfen. Dieser Kommunikationsprozeß setzt voraus, daß Sie wesentliche Grundlagen der Bereiche ‚Rhetorik, Dialektik, Körpersprache und des Argumentationstrainings‘ beherrschen. Glauben Sie nicht der Lüge vom ‚geborenen Redner‘. Reden lernt man nur durch reden. Und in Kenntnis wichtiger Grundlagen und der permanenten Übung werden sich Ihre rhetorischen Fähigkeiten und damit vor allem Ihre Überzeugungskraft verbessern. Ein kleines Beispiel, entlehnt aus der Antike, sollte Ihnen hier ganz persönlich Mut machen: Einer der großen Redner im alten Griechenland war Demosthenes. Weltberühmt ist seine harte Ausbildung geworden. Denn als er beschloß, ein großer Redner zu werden, hatte sein Publikum nur Hohn und Spott für ihn übrig. Er stotterte und war kurzatmig, hatte eine schwache Stimme und sprach undeutlich. Doch all diese Fehler überwand er durch ständiges Üben. Er sagte bergsteigend lange Sätze laut vor sich her, er übertönte mit seiner Stimme das stürmische Meer, er nahm zum Sprechen einen Kieselstein in den Mund und ließ sich nicht von seinem großen Ziel abbringen. Sie sind heute schon weiter als der antike Demosthenes, doch Sie sind noch lange nicht perfekt.
Steter Tropfen höhlt den Stein
Nutzen Sie deshalb dieses Buch, um sich die notwendigen Grundlagen der politischen Rhetorik anzueignen. Nutzen Sie jede Gelegenheit, in Ihren Vorständen, Fraktionen, Arbeitskreisen, Fachausschüssen und im Rat Ihrer Kommune, um sich mit Fragen und Beiträgen zu Wort zu melden. Steter Tropfen höhlt den Stein. Gönnen Sie sich ein- bis zweimal im Jahr die Zeit und nehmen Sie an einer intensiven Rhetorik - Schulung teil. Denn Rhetorik ist nicht nur die Kunst der Rede. Rhetorik ist die Wirkung des ganzen Menschen. Von dieser Wirkung hängen Glück und Erfolg im privaten Leben, wie in den Bereichen Beruf und Politik, entscheidend ab.
Die rhetorischen Voraussetzungen
Was beeinflußt die Menschen bei der Kommunikation?
Da Rhetorik die Wirkung des Menschen ist, geht es ständig um die Frage, was bewirkt bei den Empfängern meiner Botschaften die jeweilige Reaktion. Wie wird das, was wir sagen, vom Zuhörer auch tatsächlich verstanden. Was beeinflußt Menschen bei ihren kommunikativen Prozessen? All diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn wir uns klarmachen, daß unser Gehirn das entscheidende Organ für alle Wahrnehmungen und Denkvorgänge ist. Diese Erkenntnis findet sich schon bei Hippokrates wieder, der 400 Jahre vor Christus ausführte: „Die Menschen sollten wissen, daß aus keiner anderen Quelle Lust und Freude, Lachen und Schmerzen kommen, als daher, woher auch Trauer und Leid, Verlust und Weinen stammen. Und damit vor allem denken und überlegen wir, sehen und hören unterscheiden wir, das Häßliche und Schöne, das Schlechte und Gute, das Angenehme und das Nichtangenehme. Gerade durch eben dieses Organ verfallen wir auch in Raserei und Wahnsinn und treten Angst und Schrecken an uns heran. All das erleiden wir vom Gehirn her."
Unser Gehirn ist ein Wunder der Evolution
In den letzten 25 Jahren ist kein Teil unseres menschlichen Körpers so eingehend untersucht und erforscht worden, wie das Gehirn. Dennoch stellt es nach wie vor einen weithin unbekannten Kontinent dar. Nur wenn ein Redner sich klarmacht, wie die Prozesse des Denkens und Fühlens überhaupt vonstatten gehen, nur wenn er versteht, wie Gefühle den Körper beeinflussen und wie umgekehrt der Körper unsere Gefühle beeinflussen kann, dann läßt sich erfolgreich Kommunikation mit Menschen betreiben. Wußten Sie, daß beim Lesen dieser Zeilen in Ihrem Gehirn pro Sekunde über 100.000 chemische Reaktionen ablaufen? Insgesamt könnten die rund 12 Milliarden Neuronen Ihres Gehirns eine Verbindungsanzahl schaffen, die über der geschätzten Anzahl aller Atome des Universums liegt. Die Wissenschaft geht heute davon aus, daß die Art und Weise der Vernetzung der Zellen untereinander in Ihrem Gehirn entscheidend ist für die Leistungsfähigkeit und das Denken eines Menschen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß unser sogenanntes Bewußtsein, also das nachvollziehbare aktive Denken nur 10 % aller Reaktionen unseres Gehirns ausmachen. Über 90 % liegen im Unterbewußtsein. Ihr Unterbewußtsein nimmt ständig alle äußeren Eindrücke auf und verarbeitet sie. Es beeinflußt das Denken, die Stimmungen und die Handlungen eines Menschen im ganz entscheidenden Maße. Im Traum, in der Trance oder auch der Hypnose läßt sich unser Unterbewußtsein direkt ansprechen. Aber auch wenn wir keinen bewußten Zugang zu diesen immensen Daten und Wissensressourcen unseres Gehirns haben, so können wir davon ausgehen, daß unser Unterbewußtsein entscheidend über unser Handeln bestimmt.
Aktuelle Grundlagen der Gehirnforschung
Wer in der Politik ständig kommunikative Prozesse mit anderen vorantreibt, muß die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung kennen und anwenden, um in seinen Ergebnissen noch überzeugender zu sein. Unser menschliches Gehirn läßt sich in vier große Bereiche mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen unterteilen. Diese vier Bereiche haben sich im Laufe der Evolution weiter entwickelt. Der älteste Teil des Gehirns ist der sogenannte Hirnstamm oder auch Stammhirn genannt. Dann folgt das Kleinhirn, umgeben von dem limbischen System, dem Sitz unserer Gefühle. Über allem liegt der Neocortex, unser Großhirn.
Der Hirnstamm enthält alle angeborenen Steuerungsmechanismen
Beginnen wir mit dem Hirnstamm, auch Reptiliengehirn genannt. Denn hier finden wir die angeborenen Steuerungsmechanismen und einfachsten Instinkte verankert. Unser Reptilgehirn ist nur bedingt lernfähig. Es reagiert automatisch mit bestimmten Grundmustern, wie Kampf oder Fluchtverhalten. Diese Verhaltensmuster dienen dem Überleben des einzelnen Menschen oder auch seiner gesamten Gattung. Hier sind Nahrungssuche, Fortpflanzung, die Brutpflege, hierarchisches Verhalten oder auch rituelle Partnerwerbung verankert. Das Reptiliengehirn sitzt am Übergang zum Rückenmark und ist in Bezug auf seine Entwicklungsgeschichte etwa 500 Millionen Jahre alt. Völlig losgelöst von den restlichen Bereichen unseres Gehirns sorgt der Hirnstamm für alle automatischen und biologischen Vorgänge, wie Herzschlag, Atmung, Blutkreislauf oder auch den Stoffwechsel.
Das Kleinhirn steuert alle automatischen Routinen
In unmittelbarer Umgebung des Reptiliengehirns liegt unser Kleinhirn. Hier werden alle mechanisch ablaufenden Verhaltensweisen abgespeichert. Das Kleinhirn ist auch für unsere Mimik zuständig. Alle unsere Rituale, an die wir uns schon so gewöhnt haben, die wir, wie es der Volksmund sagt, aus Fleisch und Blut verinnerlicht haben, kommen im Grunde aus unserem Kleinhirn. Das Autofahren ist ein schönes Beispiel, um diese Abläufe zu verdeutlichen. Wenn Sie das Autofahren erlernen, so sind Sie in Ihren ersten Fahrstunden völlig bewußt mit all Ihren Fähigkeiten des Großhirns bei der Sache. Doch mit den Monaten und Jahren wird das Kuppeln, Schalten und Bremsen zu einem unbewußten automatischen Vorgang. Er wurde im Kleinhirn abgespeichert und läuft jetzt als Verhaltensroutine ab. Nur so ist es zu erklären, daß Sie als routinierter Autofahrer Gespräche führen, telefonieren, Radio hören und Ihnen eine Menge anderer Dinge durch den Kopf gehen, während Sie trotzdem einigermaßen sicher Ihr Fahrzeug lenken.
Das limbische System ist der Sitz unserer Gefühle
Dieses System wird auch Säugetier-Gehirn genannt. Es markiert in der Evolution des Menschen die Entwicklung vom Meeres- zum Landbewohner. Im limbischen System laufen sämtliche Informationen zusammen, die das Gehirn durch die fünf Sinne von außen, aber auch durch die unterschiedlichen inneren Nervenbahnen erreichen sollen. Dieses limbische System ist gegenwartsbezogen, d.h. es soll uns die Orientierung in der Umwelt erleichtern. Dabei spielen die Gefühle eine große Rolle, denn alle eingehenden Informationen und Daten sind gefühlsmäßig immer so getönt, daß es für die Entwicklung des Einzelnen und das Überleben der Gattung eine möglichst effektive und erfolgreiche Reaktion ergibt. Deshalb reagiert der Mensch auf Gefahrensituationen mit Angst oder Aggression. Alle Gedanken und Vorstellungen in Ihrem Großhirn werden durch das limbische System mit Gefühlen versehen. Diese Gefühle entsprechen Ihren Erfahrungen, Ihren Erwartungen oder Stimmungen, können durch Ihre Erziehung oder auch das aktuelle Erlebte entstanden sein. Wichtig ist jedoch, daß wir festhalten, mit jedem Gedanken, den wir haben oder abspeichern, wird gleichzeitig auch ein entsprechendes Gefühl verarbeitet, und erst, wenn Gedanken und Gefühle positiv übereinstimmen, kommt es zum Handeln.
Das Großhirn ist die Denkzentrale des Menschen
Der vierte Gehirnbereich ist der Neocortex, er sitzt direkt unter der Schädeldecke und ist entwicklungsgeschichtlich gesehen der jüngste Teil unseres Gehirns. Hier im Neocortex befinden sich die höheren geistigen Funktionen des Menschen, hier finden wir das gesamte Vorstellungsvermögen, die Erinnerung sowie Sprache und Logik. Der Neocortex beherbergt auch Funktionen wie Abstraktion, Planung und Voraussicht. Hier sind die sozialen Fähigkeiten des Menschen abgespeichert. Besonders in den Frontallappen unseres Großhirns werden alle einlaufenden Reize mit bereits abgespeicherten und verarbeiteten Daten verknüpft, so daß zwischen Erinnerungen und neuen Informationen Verbindungen und damit neuartige Erkenntnisse und Erfahrungen entstehen.
Wir haben zwei unterschiedlich arbeitende Gehirnhälften
Unser Gehirn besteht aus zwei verbundenen Hälften. Beide dieser Hälften haben unterschiedliche Funktionen. Dabei finden wir in der linken Gehirnhälfte die Fähigkeiten der Sprache sowie die Möglichkeiten zu rechnen und logisch zu denken vor. Die rechte Gehirnhälfte ist für die Bild- und Raumerfassung sowie die Körpervorstellung der Menschen zuständig. Diese Grundlagen aus der Gehirnforschung und die damit verbundene Arbeitsteilung im Gehirn ist von entscheidender Bedeutung für jeden Redner, der seinen Vortrag gehirngerecht präsentieren möchte. Beide Gehirnhälften sind also auf besondere Bereiche spezialisiert. Der stärkste und überzeugendste Erfolg für jede Rede und jeden Vortrag kommt dann zum Tragen, wenn wir beide Gehirnhemisphären mit ihren unterschiedlichen Dominanzen ansprechen. Dabei können wir schon mal grob festhalten, in der linken Gehirnhemisphäre liegen Sprache und Logik. Hier wird linear und mathematisch kontrolliert und analysiert. Rechts finden wir die Gefühle, die Bilder, das Kreative und Intuitive. Da die rechte und die linke Gehirnhälfte bei ihrer Arbeit aufeinander angewiesen sind, muß jeder gute Redner versuchen, die emotionalen Bilder und die rationalen Argumente in seiner Rede durch Sprache zu verbinden.
Die linke Gehirnseite
Die linke Gehirnhemisphäre ist verbunden mit unserer rechten Körperhälfte, also der rechten Hand, dem rechten Sehfeld. Hier im linken Bereich werden Sprache, Zahlen, Symbole und Fakten gespeichert. Die Verarbeitung erfolgt linear, d.h. nacheinander. Die linke Gehirnhemisphäre ist spezialisiert auf die verbale Kommunikation, wie lesen, sprechen und schreiben. Hier denken wir begrifflich und merken uns die Namen von Personen sowie viele Details und Einzelheiten. Unsere linke Gehirnhälfte wird angesprochen, wenn es um Verstand und Vernunft geht. Sie ist primär verantwortlich für unsere Logik.
Die rechte Gehirnseite
Die rechte Gehirnhälfte ist mit unserer linken Körperhälfte, der linken Hand und dem linken Sehbereich verbunden. Sie speichert Bilder, Analogien, Fantasien und Metaphern. Darüber hinaus ist sie zuständig für alle nicht verbalen Kommunikationseinheiten, wie z.B. die Körpersprache oder das Visualisieren und das Phantasieren. Mit rechts lernen wir malen, komponieren und dichten. Hier denkt der Mensch bildlich. Er ist empfänglich für ganze Bilder, Gefühle und Eindrücke. Die rechte Gehirnhemisphäre erfaßt das Ganze, z.B. das gesamte Gesicht einer Person. Rechts denkt und handelt der Mensch intuitiv und pocht auf gemachte Erfahrungen. Er fühlt und genießt in diesem Bereich. Die rechte Gehirnhemisphäre ist verantwortlich für unsere Emotionen. Sie verbindet die wahrgenommene Umgebung und alle Informationen werden so zu einer Ganzheit zusammengefügt.
Sprechen Sie beide Gehirnhälften gemeinsam an
Ein guter Redner im Bereich der politischen Rhetorik muß deshalb beide Gehirnseiten gemeinsam ansprechen. Es gilt, Bilder und Sprache zusammenzufügen, die Kraft der emotionalen Bilder und die Kraft der rationalen Argumente ergibt die überzeugende Wirkung für den Empfänger unserer Kommunikation. Leider sind wir in den Bereichen unserer Schule und Erziehung sehr stark linkshirnig entwickelt und geschult worden. Denn das Training unserer linken Gehirnhälfte bringt Ordnung in unser Leben, wir setzen uns realistische Ziele und planen für die Zukunft. Dabei versuchen wir, beharrlich auf dem einmal eingeschlagenen Weg zu bleiben und wenn wir älter werden, dann beginnen diese liebgewordenen Gewohnheiten auch zu einer unflexiblen Sturheit auszuarten.
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Wer in den Bereichen der Politik die Bürgerinnen und Bürger von seiner Sicht der Dinge und seiner Meinung überzeugen möchte, muß die rechte Gehirnhälfte ansprechen. Denn wenn wir in Bildern reden, so heißt das für die meisten Menschen zunächst einmal, daß die vernachlässigte rechte Gehirnhemisphäre stärker angesprochen wird. Der entscheidende Weg für diese Ansprache heißt Visualisierung. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Dabei geht es nicht nur um die direkt wahrnehmbaren Bilder sondern auch um Wortbilder. Denn für unser Gehirn und unser Unterbewußtsein ist Realität und Schein austauschbar.
Jeder sieht die Welt mit seinen Augen
Visualisierung beruht deshalb auf der Gleichstellung von echten und unechten Bildern. Wie stark wir diese unterschiedlichen Bilder aufnehmen, hängt von unserer ganz individuellen Wahrnehmung ab. Sie können dies an einem kleinen Test untersuchen: Beantworten Sie bitte ganz spontan und ohne auf Ihre Uhr zu sehen, die Frage: Wie sieht auf Ihrer Armbanduhr der Bereich 6.00 Uhr aus? Welche Ziffern bzw. Symbole sind dort zu erkennen? Obwohl Sie schon einige tausend Mal auf die Uhr gesehen haben, wird es Ihnen schwer fallen, diese konkrete Frage zu beantworten. Ihre Wahrnehmung war halt anders gepolt. Sie schauen auf die Uhr, nicht um die Details des Ziffernblattes aufzunehmen, sondern nur aus der Stellung der Zeiger die Uhrzeit zu erkennen. Bitte bedenken Sie, daß diese individuell unterschiedliche Wahrnehmung tagtäglich allen Menschen widerfährt.
Interesse steuert die Wahrnehmung
Unsere Aufmerksamkeit ist im höchsten Maße durch unser Interesse gesteuert. Das, was in der jeweiligen Situation nicht von Interesse ist, wird im allgemeinen bei unserer Wahrnehmung ausgeblendet. Dies ist ein völlig natürlicher Mechanismus, der die Aufgabe hat, uns vor Überlastungen in Bezug auf die vielfältigen kommunikativen Einflüsse unserer Umwelt zu schützen. Für den Redner im Bereich der politischen Rhetorik hat dies zur Folge, daß er zu Beginn seiner Ausführungen sofort dem Zuhörer deutlich machen muß, warum gerade diese Informationen von besonderem persönlichen Interesse für den Empfänger sind. Nur dann kann er mit erhöhter Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft beim Zuhörer rechnen.
Benutzen Sie eine bildhafte Sprache
Werden dann noch diese Informationen und Argumente nicht nur einseitig logisch rational und sprachlich für die linke Gehirnhälfte präsentiert sondern darüber hinaus ansprechend für die rechte Gehirnhemisphäre verpackt, wird sich der überzeugende Erfolg von selber einstellen. Diese rechtshirnige Präsentation geschieht durch das Verwenden von Bildern, Metaphern, kleinen Beispielen, Erzählungen und Anekdoten, aber auch generell durch das Benutzen einer bildhaften Sprache, die einer Reihe von Vergleichen aus der Erlebenswelt der Zuhörer präsentiert und somit das Gesagte dem Zuhörer ganz persönlich näher bringt.
Sprechen Sie möglichst viele Eingangskanäle ins Gehirn an
Ein guter Redner wird versuchen, möglichst viele der Eingangskanäle in das Gehirn des Menschen zu benutzen. Schauen wir uns deshalb einmal die Funktion unserer fünf Sinne in Bezug auf die Wahrnehmung an:
Das Auge (visuell)
Die meisten Informationen werden mit unseren Augen aufgenommen. Hier handelt es sich gewissermaßen um das Breitbandkabel. Ein Redner, der seine Wirkung verstärken will, sollte versuchen, die Kernbotschaften dem menschlichen Auge visuell zu vermitteln. Dies kann geschehen durch kleine Karten, die gezeigt werden, Folien auf dem Tageslichtprojektor, Zeichnungen auf dem Flipchart oder eingespielte kleine Filme durch die Medien Video und Fernsehen. Alle Ihre verbalen Botschaften müssen durch Ihre Körpersprache unterstützt werden, denn die Körpersprache wird vom Auge des Zuhörers aufgenommen und hat eine stärkere Wirkung als die verbale Sprache.
Das Ohr (auditiv)
Der zweitstärkste Eingangsbereich in das menschliche Gehirn wird durch unser Ohr dargestellt. Natürlich nehmen wir auditiv weniger Informationen auf als durch die Augen, aber insbesondere bei Reden und Vorträgen spielt die Intensität des Gehörten eine entscheidende Rolle. Deshalb ist es für jeden Redner so wichtig, nicht gleichförmig und damit langweilig sondern intensiv, betonend und abwechslungsreich seinen Vortrag zu gestalten. Nur dann wird er den Zuhörer auf auditivem Wege interessieren und nachhaltig aufmerksam fesseln können.
Der Fühl- und Tastsinn (kinestätisch)
Dieser auch kinetisch genannte Bereich spielt bei einem Redevortrag keine so große Rolle. Wir sollten jedoch bedenken, daß in Seminaren und Arbeitskreisen die Intensität der Botschaft und ihre Speicherung verstärkt werden können, wenn durch entsprechende greifbare Beispiele und sogenannte handfeste Informationen die eher theoretischen Inhalte untermauert werden. Etwas am eigenen Leibe verspürt zu haben, ist immer noch der stärkste Weg, um Erinnerungen und Speicherungen im Gedächtnis des Menschen zu verankern.
Der Geschmacks- und Geruchssinn (destinktiv und olfaktorisch)
Unser Geschmacks- und Geruchssinn ist, was den Informationsgehalt angeht, nur sehr schwer einsetzbar. Solange speziell im Bereich der Gerüche keine extremen Abweichungen erkennbar sind, spielen diese beiden Sinne in Bezug auf die Aufmerksamkeit und die Aufnahme einer Rede nur eine untergeordnete Rolle.
Wer schreibt der bleibt
Aus den gerade beschriebenen Erkenntnisse unserer fünf Sinne ergibt sich für einen Redner oder Trainer im Seminar, daß er seine auditiven, d.h. hörbaren Botschaften, möglichst stark mit visuellen Bildern untermauern sollte. Dies kann er auf der einen Seite sprachlich umsetzen oder auch durch direkte Bilder, Grafiken und Folien, damit möglichst viele Sinne beim Empfänger der Botschaft angesprochen werden. Wer darüber hinaus die inhaltlichen Botschaften bei seinen Zuhörern noch vertiefen möchte, sollte sie auffordern, wichtige Textinformationen mitzuschreiben. So erhöht sich durch dieses aktive Mittun die Chance der intensiveren Speicherung und Rückerinnerung.
Der Mandelkern verbindet die Sinneseindrücke
Die entscheidenden Impulse für die Zusammenarbeit all unserer Sinne gehen im Bereich unseres limbischen Gehirnsystems offenbar vom sogenannten Mandelkern aus. Dort werden alle eingehenden Sinneseindrücke miteinander verbunden. Danach laufen diese Informationen zum Hypothalamus, wo unsere Wertmaßstäbe aus der Vergangenheit gespeichert sind. Erst diese Gesamtheit der Eindrücke, die von außen kommen sowie aus Erfahrung resultierenden persönlichen Wertungen machen das Gedächtnis eines Menschen aus. Für Redner sind noch zwei wichtige Gesetzmäßigkeiten von Bedeutung. Die Erinnerungen sind dann am stärksten gewährleistet, wenn sie am selben Ort stattfinden, an dem auch ursprünglich die neuen Informationen gelehrt worden sind. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, wenn Sie im Rahmen Ihrer Kindererziehung feststellen, daß Dinge, die ihre Kinder in der Schule problemlos konnten, nachmittags zu Hause in einer anderen Umgebung vom Erinnern her Schwierigkeiten machten. Außerdem gilt, daß die Erinnerungen dann am ehesten zu reaktivieren sind, wenn sich der Erinnernde im selben Zustand befindet, in dem er sich auch während des Lernens befand.
Das Dreispeicher-Gedächtnismodell
Ein guter Redner sollte nun noch einige Informationen über die unterschiedlichen Gedächtnisstufen seiner Zuhörer besitzen. Wir gehen hier von einem sogenannten Drei-Speicher-Modell aus. Es besagt, daß Informationen immer erst eine bestimmte Schwelle durchlaufen müssen, ehe sie dauerhaft und auf unbestimmte Zeit aufbewahrt werden können.
Das Ultra-Kurzzeitgedächtnis
Der erste Bereich ist der sogenannte sensorische Speicher, auch Ultra-Kurzzeitgedächtnis genannt. Hier werden in Sekunden von Bruchteilen die Informationen der Sinne gespeichert. Die gespeicherte Informationsmenge ist sehr hoch und nicht alle gespeicherten Informationen werden uns bewußt, da sie außerhalb unserer jeweiligen Aufmerksamkeitsebene liegen. Unserem Unterbewußtsein sind jedoch all diese Daten im Rahmen des sensorischen Speichers bekannt und sie führen häufig zu gefühlsmäßigen Eindrücken, die wir uns von Verstand und Logik her nicht unmittelbar erklären können.
Das Kurzzeitgedächtnis
Der zweite Gedächtnisbereich ist der Kurzzeitspeicher, auch Kurzzeitgedächtnis genannt. Er umfaßt die Zeit von ca. 3 Minuten, und steht für die grundsätzliche Verarbeitung aller eingehenden Informationen zur Verfügung. Hier erfolgt die Entscheidung, ob etwas wichtig ist und langfristig gespeichert werden soll. Wir können heute davon ausgehen, daß Informationen rund siebenmal wiederholt werden müssen, um sie nachhaltig vom Kurzzeitgedächtnis in unseren Langzeitspeicher zu übernehmen.
Das Langzeitgedächtnis
Somit sind wir beim dritten Gedächtnisteil, dem sogenannten Langzeitgedächtnis. In diesem Gedächtnisbereich sind alle Informationen, die einmal hier angelangt sind, auf ewig abgespeichert. Auch Informationen, von denen man meint, daß man sie vergessen hat, sind nicht etwa in diesem Langzeitspeicher gelöscht sondern nur momentan nicht auffindbar. Dort müssen Sie nur einen neuen Verkettungsweg Ihrer neuralen Bahnen wählen, um zu den gewünschten Erinnerungen zu gelangen.
Interesse und persönliche Betroffenheit ansprechen
Lassen Sie uns nun kurz zusammenfassen, welche Konsequenzen aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen in Bezug auf Gehirn und Gedächtnis von Menschen für einen erfolgreichen Redner im Bereich der politischen Rhetorik von Bedeutung sind. Zwar hat unser Gedächtnis eine fast unbegrenzte Speicherkapazität, wenn sie jedoch wollen, daß Ihre Zuhörer Ihre Informationen für eine längere Zeit behalten, so müssen Sie sich auf wesentliche Daten und Fakten konzentrieren. Bitte überfrachten Sie Ihre Zuhörer nicht mit einer zu großen Anzahl an Informationen. Das Gedächtnis des Menschen benötigt Erholungspausen, um die jeweiligen Informationen zu bewerten, aufzunehmen und abzuspeichern. Damit Ihre Informationen überhaupt vom Zuhörer intensiv aufgenommen werden, müssen Sie ein hohes Maß an subjektiver Bedeutung für den einzelnen Zuhörer aufweisen. Einem Zuhörer wird es um so schwerer fallen, sich auf etwas zu konzentrieren je weniger es ihn persönlich interessiert. Deshalb muß die erste Aufgabe eines Redners darin bestehen, das Interesse und somit auch die persönliche Betroffenheit bzw. Konsequenz für den Zuhörer herauszuarbeiten.
Steter Tropfen höhlt den Stein
Da Sie nun wissen, daß die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses zeitlich wie mengenmäßig begrenzt ist, muß ein erfolgreicher Redner seine Kernsätze und Aussagen möglichst häufig geschickt wiederholen. Dies macht er auf möglichst vielfältige Art und Weise, denn die platte wortwörtliche Wiederholung führt zu Langeweile und Abwehr. Vor allem die Satzanfänge Ihrer Reden und Vorträge sind von besonderer Bedeutung. Immer dann, wenn Ihre Zuhörer sich an den Inhalt eines gesprochenen Satzes erinnern sollen, muß ihnen der jeweilige Satzanfang präsent sein. Die optimale Vorgehensweise im Rahmen der politischen Rhetorik sieht deshalb wie folgt aus:
Sprechen Sie die verschiedenen Gedächtnisspeicher an
Formulieren Sie zuerst Ihre Kernsätze in einer maximalen Länge von sieben bis zwölf Wörtern. Das wichtigste Schlüsselwort müssen Sie dann in innerhalb von 20 Sekunden wiederholen. Nur dann geht die Information vom sensorischen Speicher in den Kurzzeitspeicher über. Danach haben Sie ca. 20 Minuten Zeit, Ihre Informationen so umzuwandeln, daß Sie nach Ihrer Rede im Langzeitspeicher Ihrer Zuhörer abgelegt werden können. Bei kurzen Reden kann dieser Zweck durch eine kurze und knappe Zusammenfassung kurz vor dem Schluß der Rede erfüllt werden. Bei langen Reden müssen Sie besonders aufpassen, denn wenn Sie über diesen 20-Minuten-Zeittermin hinauskommen, werden Ihre Informationen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lange haften bleiben und erst gar nicht in das Langzeitgedächtnis aufgenommen werden.
Die Vorbereitung einer Rede
Ein Sprichwort sagt: "Der Dichter wird geboren, aber der Redner wird gemacht". Das ist richtig. Denn das Schreiben von Reden ist ein Handwerk, das jeder erlernen kann. Wann immer ein Veranstalter Sie bittet, eine Rede zu halten, so möchte er damit einen ganz bestimmten Zweck erfüllen. Diesen Zweck müssen Sie rechtzeitig herausfinden, nur dann kann Ihre Rede erfolgreich und nützlich in das Konzept der jeweiligen Veranstaltung integriert werden.
Zu diesen Vorabinformationen gehört natürlich auch die Länge der Redezeit und der Rahmen der jeweiligen Veranstaltung. Wenn mehrere Redner auftreten, müssen Sie die Themen und die Schwerpunkte der anderen Redner kennen, damit es nicht zu Überschneidungen kommt. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob Sie als Vor- oder Hauptredner eingeplant sind oder bloß ein Grußwort oder eine Laudatio zu halten haben. Sie können über alles reden, nur nie länger, als Sie es zeitlich mit dem Veranstalter vereinbart haben. Lassen Sie uns im Folgenden überlegen, wie eine solche Rede nun vorbereitet werden kann:
1. Wer sind meine Zuhörer?
Bevor Sie Ihre Rede vorbereiten, müssen Sie sich Gedanken über Ihr Publikum machen. Überlegen Sie, aus welchen Zielgruppen Ihre Zuhörer bestehen und was Sie von Ihrer Rede erwarten. Wie verhält es sich mit der Erfahrungswelt Ihrer Zuhörer? Welche Interessen können Sie ansprechen? Vergessen Sie nie, daß Sie vor allem zu den Menschen sprechen, nicht nur von und über Sachen.
2. Wo findet die Rede statt?
Vortragsräume können sehr unterschiedlich gestaltet sein. Natürlich verlangt ein Kursaal eine andere Rede als ein Bierzelt. Es ist ein Unterschied, ob Ihre Zuhörer stehen oder sitzen. Auch die Technik spielt eine Rolle. Wird Ihre Rede wegen der Raumgröße durch eine Mikrophonanlage übertragen, gibt es ein Rednerpult? Zu welchem Zeitpunkt müssen Sie Ihre Rede halten? All diese Informationen gilt es rechtzeitig zusammenzutragen. Oftmals ergeben sich aus diesen Fakten interessante Anknüpfungspunkte, die Sie in Ihren Vortrag einbauen können.
3. Worüber werde ich sprechen?
Dies ist sicherlich der entscheidende Punkt Ihrer Redevorbereitung: Ihr Thema. Je klarer und spezieller Sie dieses Thema vorgegeben bekommen bzw. selbst vorgeschlagen haben, um so zielgerechter kann Ihre Rede sich auf das entsprechende Publikum beziehen.
4. Was kann ich alles vortragen?
Nun beginnen Sie mit einer umfassenden Faktensammlung, um damit das Fundament Ihrer Rede aufzubauen. Sie sammeln und schreiben alle für Ihren Vortrag wichtigen Details, Informationen und Fakten auf. Zum Teil genügt es, in Stichwortform diese Materialsammlung zu erstellen. Vergessen Sie nicht: Bei komplexen Zusammenhängen einen kurzen Verweis auf die jeweilige Quelle zu machen, damit Sie später bei der intensiveren Bearbeitung Ihrer Inhalte schnell und korrekt die jeweilige Quelle finden. Legen Sie bei dieser Materialsammlung noch keine Gliederung fest. Versuchen Sie, das Thema möglichst breit mit seinen vielschichtigen Vacetten und möglichst vielen Seiten zu betrachten. Oft ergeben sich aus bestimmten Worten und Begriffen weitere Associationen, wie ein Stammbaum wachsen nun Ast für Ast von Ihren Themen mit den unterschiedlichen Spielarten und Sichtweisen zusammen. Auch ein Blick in die Literatur und die unterschiedlichen Nachschlagewerke ist in dieser Phase von großer Bedeutung. Sie werden sehen, daß viele der Stichworte, die Sie gefunden haben, in der Vergangenheit bereits literarisch be- und verarbeitet worden sind. Eine Reihe von Chronik-Jahrbüchern bieten wertvolle Einzelfakten zu großen Themen und Problemen der Menschheit. Diese Parallelen, die von Ihren einzelnen Ideen und Beispielfällen auf das Ganze schließen, machen Vorträge so interessant und verdeutlichen durch ihre Verallgemeinerung die Wichtigkeit der jeweiligen Gedanken.
5. Welche Botschaft möchte ich aussenden?
Neben all den vielen Ideen und Themen wird jedoch Ihr Vortrag erst dann zu einer persönlich intellektuellen Meisterleistung, wenn Sie sich auf wenige klare Botschaften festlegen, die Sie Ihren Zuhörern verbal vermitteln wollen. Hierbei sind Ihre guten eigenen Ideen von entscheidender Bedeutung. Haben Sie den Mut zu eigenen Gedanken, zu neuen Kombinationen und inhaltlichen Schöpfungen. All die vielen Fakten und Tatsachen und das gesamte Detailwissen sind für die Ergebnisaussagen Ihrer Rede ohne Bedeutung. Bitte ordnen Sie alles in Ihren einmal festgelegten klaren Botschaften unter. Ein erfolgreicher Redner wird sich nicht an den gesammelten Fakten, denen er im Nachhinein eine bestimmte Bedeutung unterschiebt, orientieren sondern umgekehrt, für ihn ist es entscheidend, seine Kerngedanken und seine Botschaften mit möglichst vielen Fakten und Beispielen und historischen Analogien zu unterlegen.
6. Wie gliedere ich meine Rede?
Dabei gilt es, zu beachten, daß der Aufbau und die Reihenfolge Ihrer Rede ausschließlich Ihrer Botschaft und Ihren Gedanken unterzuordnen sind. Entwickeln Sie deshalb eine Aussage aus der anderen heraus, damit Ihre Zuhörer Ihnen im Rahmen eines roten Fadens folgen können. Wählen Sie eine klare aber schlichte Sprache und vermeiden Sie Sätze, die nur so von Fremdwörtern triefen. Nachdem Ihr grobes Gliederungsschema steht und Sie beginnen, die einzelnen Gedanken auszuformulieren, benutzen Sie bitte immer eine lebendige und bildhafte Sprache. Dies erreichen Sie durch eine Vielzahl von Beispielen, Metaphern und Gleichnissen. Denken Sie einmal an die Bibel. Ihre große Wirkung über Jahrtausende ist ausschließlich darauf zurückzuführen, daß sie in einer bildhaften für das Volk leicht verständlichen Gleichnissprache wesentliche Zusammenhänge und Verhaltensregeln weitergibt. Erzählen Sie kleine Geschichten, Anekdoten und Erlebnisse. Alles, was Sie selbst erlebt haben oder was Sie gehört haben, ist hierbei von Interesse. Dabei dürfen Sie nie Ihre Zuhörer aus den Augen verlieren. Denn das oberste Ziel eines Redners ist es, ein interessantes Thema und seine persönlichen Botschaften den Zuhörern nahezubringen. Sie können davon ausgehen, daß der Redner am besten verstanden wird oder am stärksten überzeugen kann, der seine Sprache an der Erlebenswelt seiner Zuhörer orientiert. Immer dann, wenn die Zuhörer sich wiederfinden und somit besonders verstanden fühlen, sind Sie bereit, dem Redner zu folgen.
7. Der Umgang mit dem Rohmanuskript
Nun ist Ihr erstes Rohmanuskript fertig geworden. Und jetzt sollte es durchaus einige Tage liegengelassen werden. Denn wenn Sie danach mit frischem Elan und neuen Gedanken Ihr Manuskript kritisch überprüfen, werden Ihnen Schwachstellen und Ungenauigkeiten deutlich. Je öfter Ihre Rede überarbeitet wird, desto klarer und perfekter werden die Botschaften und Aussagen herausgemeißelt. Wichtig ist auch, daß Sie Ihre Rede mehrfach halten und durch ein Tonbandgerät oder einen Kassettenrekorder aufzeichnen. Sie spüren sofort, wo Ihre Formulierungen zu holprig sind oder Sie anstelle einer Rede eher eine 'Schreibe' produziert haben.
8. Wie lerne ich meinen Redetext?
Natürlich wollen Sie Ihr Manuskript nicht wortwörtlich vorlesen und müssen deshalb Ihren Redetext auswendig lernen. Das erreichen Sie am Einfachsten, indem Sie neben dem fertigausformulierten Text nun für jedes Kapitel und jeden Absatz kurze, knappe Stichworte festlegen. Diese Stichworte stellen die Brücke zu den ausformulierten Inhalten dar. Später in Ihrem Redevortrag werden Sie sich ausschließlich an diesen Stichworten als roten Faden orientieren. Vertrauen Sie Ihrem Gedächtnis und Ihrer Erinnerung! Mit jedem Stichwort werden die vorher formulierten Gedanken und Ideen aufgerufen und können sodann in freier Rede präsentiert werden. Auch wenn dies nicht immer ganz wortwörtlich mit dem erarbeiteten Manuskript übereinstimmt, ist es von großer Bedeutung und wichtiger, eine Rede frei mit Publikumsblickkontakt und in lockerer Form zu halten. Wer permanent am Redetext mit den Augen klebt, hat keinen Blickkontakt zum Publikum und auch seine körpersprachliche Rhetorik wird wesentlich eingeschränkt. Deshalb lieber mal die eine oder andere Formulierung vergessen und nicht ganz so exakt präsentieren, dafür aber einen möglichst freien Vortrag anhand von wenigen Stichworten halten.
Die Redetypen
Im Folgenden möchten wir Ihnen die wichtigsten Redetypen vorstellen, Ihnen eine Reihe an Anregungen geben, wie Sie die entsprechende Spezialrede erfolgreich meistern.
Die Informationsrede
Informierende Reden müssen Sie jeden Tag in großer Anzahl halten. Sie geben Erläuterungen und Anweisungen, erklären und berichten aus in unterschiedlichen Veranstaltungen. Die Informationsrede beinhaltet eine große Gefahr für Sie. Viele Redner lassen die nötige Klarheit vermissen und sie scheinen entschlossen zu sein, einen neuen Rekord aufzustellen in Bezug auf die Frage, wieviel Stoff kann ich meinen Zuhörern zu diesem oder jenem Thema maximal vermitteln. Wenn dann noch die entsprechende Gliederung schlecht bzw. gar nicht vorhanden ist, ist es kein Wunder, daß aus dem Wust der Informationen und Details die Zuhörer letztlich verwirrt nach Hause gehen und kein positiver Informationseffekt erreicht werden konnte. Bei einer Informationsrede ist die klare Gliederung unverzichtbar. Ihre Zuhörer müssen in jedem Moment der Rede wissen, wo steckt er jetzt, wie stehen diese Details in Bezug auf den Gesamtzusammenhang der Rede. Deshalb ordnen Sie die Reihenfolge Ihrer Gedanken, bauen Sie einen logischen roten Faden für Ihre Informationsrede auf. Dieser logische Faden kann z.B. nach einer zeitlichen Abfolge präsentiert werden. So können Sie jedes informelle Thema nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ordnen. Oder Sie beginnen an einem bestimmten Datum und bewegen sich von diesem Datum aus in die Zukunft oder in die Vergangenheit.
Wenn Ihre Informationsrede aus mehreren in sich geschlossenen gleich wichtigen Punkten besteht, nutzen Sie die Möglichkeit der Nummerierung der einzelnen Teile im Rahmen Ihres Vortrages. Ihre Zuhörer können somit klar erfassen, welche großen Themenbereiche und Kernaussagen Ihre Informationsrede erhält. Die numerische bzw. alphabetische Gliederung ist eine der einfachsten Wege, ein Thema übersichtlich und nachvollziehbar zu präsentieren. Immer dann, wenn Sie neue Begriffe und Gegenstände in Ihre Rede einbeziehen, müssen Sie Ihren Zuhörern helfen, das Gesagte besser zu verstehen. Dies können Sie dadurch erreichen, daß Sie Unbekanntes mit bekannten Dingen, Begriffen und Bereichen Ihrer Zuhörer vergleichen. Besonders für abstrakte Zahlen gilt es, sie in nachvollziehbare Bilder zu verwandeln. Wenn Sie also über Finanzdaten und Neuverschuldung sprechen, so können Sie die großen abstrakten Zahlen auf die Pro-Kopf-Verschuldung der jeweiligen Stadt und Gemeinde herunterrechnen. Sie können aber auch deutlich machen, wie lange ein Angestellter mit einem Nettogehalt von 3.000,-- DM im Monat abzahlen müßte, bis die Gesamtschuldenlast seiner Kommune getilgt wäre. Sie können aufzeigen, was z.B. die Gesamtanzahl aller Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in ihrem Gemeinwesen, die Zahl aller freiberuflich Tätigen, wie Anwälte, Steuerberater, Makler, Ärzte und Apotheken, bei weitem übersteigt. Durch solche anschaulichen Vergleiche ermöglichen Sie Ihrem Publikum, sich besser in die jeweilige Information hineinzudenken. Jedes Bild, jede Metapher und jeder Vergleich, der aus der Erlebenswelt Ihrer Zuhörer kommt, erleichtert diesem die nachvollziehbare Akzeptanz. Besonders wichtig für jeden Kommunalpolitiker ist im Rahmen von Informationsvorträgen das Vermeiden von Fachbegriffen. Natürlich ist Ihnen klar, wie die Zusammenhänge zwischen Flächennutzungsplan, Bebauungsplan oder Gestaltungssatzungen und kameralistischer Haushaltsführung sind. Aber können Sie diese Fachinformationen bei Ihren Zuhörer voraussetzen? Sorgen Sie dafür, daß sich keine unsichtbare, distanzierende Wand zwischen Sie und Ihr Publikum schiebt! Erklären Sie Fachbegriffe und Fremdworte mit einfachen klaren deutschen Begriffen. Das Interesse und die Sympathie Ihrer Zuhörer werden es Ihnen danken. Von Aristoteles, dem großen Rhetoriker, gibt es dazu einen guten Rat: "Denke wie ein Weiser, aber spricht wie ein Mann aus dem Volk", hat er all seinen Schülern in der altgriechischen Rednerschule empfohlen. Da Menschen Augenwesen sind, sollten Sie versuchen, mit visuellen Hilfsmitteln, d.h. Folien, Karten, Bildern, Dias, in Ihren Informationsvorträgen das Gesagte auch für das Auge zu unterstreichen. Die Nerven, die Augen und das Gehirn verbinden, sind um ein Vielfaches stärker als die zwischen Ohr und Gehirn. Aus der Wissenschaft wissen wir, daß wir Seheindrücke rund 25 mal so stark und aufmerksam aufnehmen wie die auditiven Eindrücke über das Gehör. Ein altes japanisches Sprichwort sagt dazu: "Einmal gesehen, ist besser als hundertmal gehört". Und auch in unserem Sprachraum kennen Sie die Aussage: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte".
Die Überzeugungsrede
Natürlich sucht jeder Politiker Unterstützung für seine Vorstellungen der Zukunftsgestaltung, deshalb muß er Menschen überzeugen. Es gilt, sie zu motivieren, damit sie an den vorgegebenen Zielen mitwirken und sei es durch aktiven Einsatz oder nur durch das passive Wählen der einen oder anderen Partei. Motive, das sind Beweggründe. Bei Motiven geht es um den Antrieb und den Leitgedanken für ein Verhalten. Der Motivationsredner muß deshalb die jeweilige Motivlage seines Zuhörerkreises kennen. Erst die genaue Kenntnis des Publikums ermöglicht es ihm, eine auf die Zielgruppe gerichtete wirkliche Überzeugungsrede zu halten. Eine solche Überzeugungsrede wendet sich immer stärker an die rechte Seite des Gehirns, dort, wo die Emotionen und Gefühle sitzen und verläuft weniger linkshirnig, also im Bereich der Vernunft und der Logik.
Motivationsreden in der Politik sollen deshalb aktivieren, d.h. Emotionen in Bewegung setzen. Sie müssen eine klare Stoß- und Zielrichtung haben und natürlich muß auch Kraft und Ausmaß der jeweiligen Emotion bestimmt werden. Bei einer guten Motivationsrede müssen Sie zuerst einmal die Sympathien Ihrer Zuhörer wecken. Deshalb sprechen Sie von Gemeinsamkeiten. Der Zuhörer spürt, daß der Redner ihn akzeptiert und er bekommt vom Redner vermittelt: Ich interessiere mich für Dich, Deine Ausgangslage, Deine Ziele, Deine Wünsche, aber auch Deine Ängste und Probleme. Deshalb muß jeder Politiker zuerst einmal herausfinden, was interessiert die Zuhörer, wo sind Sie zu packen. Dabei gilt es, sehr früh zu entscheiden, ob die Motivation auf der Grundlage einer materiellen oder eher ideellen Basis vonstatten gehen soll. Wenn Sie die Grundmotive Ihrer Zuhörer herausgefunden haben und ansprechen, ist Ihre entscheidende Botschaft: Sie sind in der Lage, diese Motive zu befriedigen. Das setzt eine große Glaubwürdigkeit beim Redner voraus. Ohne sie sind Menschenführung und -motivation nicht zu schaffen. Niemand läßt sich von Jemand, dem er mißtraut oder aus emotionalen Gründen ablehnt, aus der Reserve locken. Niemand läßt sich beeinflussen, wenn das Gefühl dagegen steht. Deshalb treten Sie offensiv und zupackend im Rahmen Ihrer Motivationsrede auf. Strahlen Sie Zuversicht und Siegesgewißheit aus. Nur, wer an seine Sache glaubt, dem werden die anderen folgen. Ihre Motivationsrede muß dem Zuhörer vor allem deutlich machen, wo der Nutzen liegt, wenn man Ihnen politisch folgt. Die Zuhörer müssen sich Ihren Interessen, Ihren Motiven, Ihren Plänen und dem, was daraus folgt, wiederfinden. Das wird nicht immer ganz kritiklos abgehen, doch ein guter Redner baut von vornherein mögliche Gegenargumente Andersdenkender in seine Argumentation mit ein und entkräftet sie. Der Schluß einer jeden guten Motivationsrede ist ein klarer Appell an Ihre Zuhörer, nun etwas zu tun, zu handeln, Ihre Wahl zu unterstützen, sich für die Partei einzusetzen und bei anderen Menschen für diese Ideale und Ziele zu werben.
Die Stegreif-Rede
Als Kommunalpolitiker können Sie leicht in eine Situation kommen, in der Sie eine spontane Stegreif-Rede zu einem Thema halten müssen. Dies setzt die Fähigkeit voraus, Ihre Gedanken zu sammeln und unmittelbar auszusprechen. Beginnen Sie solche Stegreif-Reden bitte nicht damit, daß Sie sich entschuldigen, weil Sie ja nicht vorbereitet sind und daß es deshalb evtl. schief gehen könnte, Sie aber jetzt schon um Verständnis bitten. All dies ist falsch. Beginnen Sie Ihre Stegreif-Rede sofort mit einem passenden Beispiel. So ein Beispiel läßt sich leicht erzählen. Sie haben also nicht den Zwang, sofort intensiv über die nächsten Sätze und Konsequenzen nachdenken zu müssen. Sie geraten schneller in Schwung, Ihre anfängliche Nervosität verflüchtigt sich langsam und Sie gewinnen durch das Erzählen eines Beispiels die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer. Sie können Ihre Stegreif-Rede mit dem Prinzip "hier und jetzt" beginnen, d.h. Sie schöpfen Ihre Quellen aus Ihrer unmittelbaren Umgebung. Das sind zum einen die Zuhörer selbst. Sie sprechen über Ihre Zuhörer, wer sie sind und was sie tun, welche Dienste sie in ihrer Stadt und Kommune leisten oder was sie bereits für die Menschheit am Gutem getan haben. Dann gibt es natürlich den Anlaß, warum man gerade zusammengekommen ist, vielleicht ein Gedenktag, ein Festessen oder eine Jahresversammlung, d.h.: Ihre nächsten Worte umschreiben in Werten und Gewichten diesen Anlaß, meist ist es ein politisches oder gar nationales Anliegen. Stegreif-Reden sind vor allem durch Ihre Gefühle und Emotionen geprägt. Sie drücken das aus, was jeder vielleicht schon im Raum gespürt hat, Sie nehmen also allgemeine Stimmungen auf und verstärken sie, machen sie verbal deutlich. Auch eine gute Möglichkeit der schnell strukturierten Stegreif-Rede ist es, wie folgt vorzugehen: Was war, also die Historie, was ist, d.h. die Gegenwart und was soll werden, welche Zukunftsaussichten gibt es? Mit dieser Dreiteilung können Sie jedes Thema, jede Person, jede Firma und jeden Anlaß kurz und schnell im Rahmen einer einfachen und sauberen Gliederung präsentieren.
Die Laudatio
Die Laudatio ist eine Würdigung von einer oder mehreren Personen zu besonderen Anlässen. Dies können Firmenjubiläen sein oder Geburtstage, Hochzeiten, Verabschiedungen in den Ruhestand, Beförderungen, Ordensverleihungen. Eine Laudatio darf nicht nur aus den Fakten, die sich aus dem Leben des Laudaten zusammensetzen, bestehen. Entscheidend ist die Bewertung und Würdigung der entsprechenden Daten und Fakten aus dem Leben des Laudaten. Im Bereich der Kommunalpolitik sollten Sie folgende Besonderheiten beachten, wenn Sie eine Laudatio zu halten haben:
In Ihrer Anrede sollten Sie den zu Ehrenden so anreden, wie Sie ihn auch bei allen anderen Gelegenheiten anzureden gewohnt sind. Das bedeutet, das vertraute Du sollte auch in einer Laudatio benutzt werden und nicht aus falsch verstandener Höflichkeit dem steiferen Sie weichen. Bitte hüten Sie sich vor zu großen Übertreibungen, denn das schafft Glaubwürdigkeitsprobleme. Wenn Sie seine Arbeit im Bereich der Politik gut gefunden haben, so sagen Sie es auch und beschreiben es nicht mit einem "phantastisch, sehr gut, außerordentlich, außergewöhnlich, großartig". Bei all den guten und richtigen Absichten, hier dem Gefeierten eine Freude zu machen, gilt es jedoch, keine überzogenen Gefälligkeits- oder Schmeichelreden zu halten. Jede Ihrer Wertungen muß nachvollziehbar und gut begründet sein. Es genügt nicht, ganz allgemein seine Leistung zu würdigen. Hier muß schon konkret aufgezeigt werden, worin diese Leistungen bestanden haben. Ihre Laudatio ist eine persönliche Ansprache. Der besondere Charakter wird dabei aus der Bewertung der Lebensdaten des Laudaten durch den Redner gewonnen. Aber dieses Werten ist immer ein sehr persönlicher Vorgang. Halten Sie deshalb immer den Abstand fairer Kameradschaft. Beachten Sie, daß aus falsch verstandener Freundlichkeit leicht Herablassung werden kann und daß oftmals eine schlecht präsentierte Warmherzigkeit in Schwierigkeit ausartet.
Und noch etwas am Rande: Ehegeschichten sollten nie in der Laudatio angesprochen werden, Familiengeschichten mit äußerster Zurückhaltung und auch nur dann, wenn sie sympathisch heiter sind. Auch bei Krankheiten sollten Sie sich größte Zurückhaltung auferlegen. Alles, was nach Zeugnis aussieht, im Positiven wie im Negativen, wird nicht gebracht. Bereiten Sie Ihre Laudatio intensiv vor, indem Sie mit den Menschen in der Umgebung des zu Ehrenden sprechen. Dies können seine Ehefrau sein, die Kinder, die Eltern, das Sekretariat. Forschen Sie nach seinen Hobbys, vielleicht lassen sich von dort aus auch Rückschlüsse auf Vorlieben und seinen Charakter tätigen. Wenn der Laudat etwas veröffentlicht hat, bitte beschaffen Sie sich diese Texte und bauen Sie kurze Bezüge und Bonmots in Ihre Laudatio ein. Durchforsten Sie das Leben Ihres zu Ehrenden unter vier Aspekten: Zum einen muß er sich in der Arbeitswelt zurechtgefunden haben, zum anderen hat er das Problem Liebe bewältigt, d.h. befriedigende Beziehungen zu anderen Menschen aufgebaut. Drittens muß er sich in der gesellschaftlichen Gemeinschaft zurechtfinden und auch für diese Gemeinschaft etwas tun, und last not least wird er durch die gute Bewältigung der ersten drei Aufgaben zu einem regelrechten Lebenskünstler. Sie nehmen deshalb als Ausgangsbasis die Lebensaufgaben, die nach Siegmund Freud und Alfred Adler jeder Mensch zu bewältigen hat
- Arbeitswelt
- Beziehungsmanagement
- Geschäftliche Integration
Merke: Jedes Leben ist eine unerschöpfliche Quelle - aber Wasser zu finden, ist oft mühsam.